Finanzierung des Sozialstaats

Die gute Nachricht vorweg: Es geht sich aus!

Es geht sich nicht nur aus, sondern wir wollen natürlich die Finanzierungsarchitektur, die noch sehr stark auf Abgaben von Arbeitseinkommen abstellt, weiterentwickeln und auch schließlich die Finanzierung öffentlicher Leistungen gerechter gestalten. Dafür sollen materiell Bessergestellte auch einen größeren Beitrag leisten als bisher. Diese Stoßrichtung teilen im Übrigen u. a. auch die OECD und die EU-Kommission.

Zusätzlich gilt: Je mehr wir Vollbeschäftigung anstreben und je mehr materiell Bessergestellte zur Finanzierung beitragen, umso leichter bleibt vieles auch in Zukunft auf einem guten Niveau leistbar.

In diesen unsicheren Zeiten brauchen wir mehr denn je einen verlässlichen Sozialstaat und damit eine verlässliche Finanzierung!

Für Österreich lässt sich im Zeitverlauf insgesamt feststellen: Die Sozialausgaben entwickeln sich stabiler als man dies aus Debatten zum Sozialstaat vermuten würde. 

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Finanzierbarkeit des Sozialstaats – eindeutig machbar!

Und ja, wir werden in einigen Bereichen – Stichworte: demografische Verschiebungen, Dekarbonisierung – deutlich mehr Mittel als heute brauchen. Daher sind populistische Ansagen zu Steuersenkungen – ohne entsprechender Gegenfinanzierung – nichts anderes als ein Angriff auf die sozialstaatliche Absicherung in Österreich bzw. das Verhindern notwendiger Investitionen.

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Die Sozialquote war in Österreich seit über einem Vierteljahrhundert stabil!

Der Anteil der Brutto-Sozialausgaben an der Wirtschaftsleistung (BIP) bewegt sich in Österreich in aller Regel zwischen 27 % und 30 %. Zieht man Steuern und Sozialversicherungsbeiträge ab, die auf bestimmte Sozialleistungen zu zahlen sind (z. B. Pensionen), liegt die Netto-Sozialquote traditionell sogar etwa 3 Prozentpunkte niedriger. 

Für Österreich lässt sich im Zeitverlauf insgesamt feststellen: Die Sozialausgaben entwickeln sich stabiler als man dies aus Debatten zum Sozialstaat vermuten würde. 

Pandemiebedingt hat die Sozialquote im Jahr 2020 einen Höchststand erreicht – zurückzuführen auf massiv gestiegene Ausgaben (u. a. durch Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit), bei gleichzeitigem (außergewöhnlich) starken BIP-Rückgang. 

Die Entwicklung (= Rückgang) ab 2021 war ein erwartbarer Schritt in Richtung Vorkrisenniveau (Rückgang der Sozialquote auf 30,4 % für 2022), da sich die Wirtschaft erholt hat, während sich der Anstieg der Sozialausgaben verlangsamte. Alarmismus im Sinne „Sozialausgaben auf neuem Höchststand“ ist daher nicht angebracht. 

Definition der Sozialquote 

Sozialquote = Summe der Sozialleistungen / Wirtschaftsleistung (BIP) 

Veränderungen der Sozialquote werden entsprechend von Veränderungen im Zähler (Summe der Sozialleistungen) und im Nenner (BIP) verursacht. In der Hochkonjunktur sinkt die Sozialquote, in Krisenzeiten erhöht sich die Sozialquote „automatisch“. 

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Aktuell sind die Sozialausgaben in Österreich so verteilt: Mehr als ¾ aller Ausgaben fließen in die Bereiche der Alterssicherung, Gesundheitsversorgung und in die Familienförderung. Durch die leichte Entspannung der Arbeitsmarktsituation nach der Pandemie sind die Ausgabenanteile für Arbeitslosigkeit entsprechend stark gesunken (2021: 9,4 %, 2022: 5,6 %).

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Der Sozialstaat wird zu fast zwei Dritteln aus Sozialversicherungsbeiträgen der erwerbstätigen Menschen und zu einem Drittel aus allgemeinen Steuermitteln (Lohn-, Einkommens-, Mehrwert- und Verbrauchssteuern, wie z. B. Tabaksteuer) finanziert. Einnahmen aus Vermögen oder Vermögenserträgen, wie Kapitalerträge oder Grundsteuereinnahmen, tragen hingegen kaum zur Finanzierung des österreichischen Sozialstaats bei.

Im Zeitverlauf lässt sich zudem erkennen, dass der den Arbeitgeber:innen zugerechnete Beitrag (auch Lohn-Nebenkosten genannt) kontinuierlich abgenommen hat. 1990 betrug er noch über 39 %. 2021 waren es weniger als 34 %.

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Wer Steuersenkungen fordert, bekommt rasch Applaus. Doch Vorsicht! Gerade in der Politik ist die Frage immer: Wem nützt es und wem schadet es?

Österreich weist aktuell und mittelfristig (noch) eine Abgabenquote (Anteil der Steuern und Abgaben an der Wirtschaftsleistung) von rund 43 % auf. Damit befinden wir uns im internationalen Vergleich im europäischen Spitzenfeld. Hier befindet sich Österreich in guter Gesellschaft mit anderen erfolgreichen und reichen Ländern wie Dänemark, Schweden oder den Niederlanden.

Ein Blick in die GeschichteExternal Link Icon zeigt den engen Zusammenhang zwischen der Abgabenquote und einer erfolgreichen wirtschaftlichen und sozialstaatlichen Entwicklung.

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„Lohnnebenkosten“ ist ein Kampfbegriff, der unterstellt, es handle sich um unnötige Ausgaben. Tatsächlich geht es um Sozialstaatsbeiträge, die alle Menschen bei Krankheit, Unfall und im Alter absichern oder Familien unterstützen. Sie zu senken, kommt für Arbeitnehmer:innen mehrfach teuer.

Unter „LohnnebenkostenExternal Link Icon“ werden oft unterschiedliche Dinge verstanden. Im engeren – hier verwendeten – Sinn sind es die Abgaben, die die Arbeitgeber:innen zusätzlich zum Bruttolohn zu zahlen haben. Die vom Bruttolohn abzuziehenden Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer:innen sind hier nicht gemeint. In politischen Diskussionen kommt es jedoch häufig zu einer beabsichtigten Vermischung der Begriffe.

Sozialstaatsbeitrag /Nutzen für die Beschäftigten:

  • Pensionsversicherung (12,55%): Pension
  • Krankenversicherung (3,78%): Gesundheitsversorgung und Krankengeld
  • Arbeitslosenversicherung (2,95%): Arbeitslosengeld, Qualifizierung
  • Unfallversicherung (1,10%): Versorgung bei Unfällen
  • Insolvenz-Entgelt-Fonds (0,10%): Lohnzahlung bei Pleite des Arbeitgebers
  • Abfertigung-Vorsorgekasse (1,53%): Anspruch auf Abfertigung
  • Wohnbauförderung (0,5%): Leistbare Wohnungen
  • Familienlastenausgleichsfonds (3,70%): Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Freifahrt, Schulbücher usw
  • Kommunalsteuer (3,00%): Schulen, Kindergärten, öffentlicher Verkehr, Abwasser u. v. a. Gemeinde-Services

Es ist eine Irreführung, bei der Senkung der Sozialstaatsbeiträge von einer Entlastung der Beschäftigten zu sprechen. Diese wandert nämlich zuerst einmal in die Taschen der Arbeitgeber:innen. Viele neue StudienExternal Link Icon zeigen, dass geringere Arbeitgeber:innen-Beiträge keineswegs den Beschäftigten zugutekommen, sondern nur die Gewinne der Unternehmen erhöhen.

Statt die Finanzierung des Sozialstaats zu schwächen, müssen wir als Gesellschaft sicherstellen, dass wir die vor uns liegenden sozialpolitischen Herausforderungen bewältigen können, wie den Ausbau der Langzeitpflege, die Bekämpfung der Kinderarmut oder die Bewältigung der sozial-ökologischen Transformation für die Beschäftigten und ihre Familien.